BMW 2002 turbo - Leicht stürmisch mit Aussicht auf Fahrspaß
Vatertag oder Männertag ist wieder Name schon sagt, ein Tag für die Männer. Also wollten wir für den heutigen gerne ein richtiges Männerauto als Bollderwagen zur Feier des Tages haben. Anmerkung der Redaktion: Wir haben hier nicht nur Fahrzeuge des Herstellers BMW vor der Linse - aber dieses besondere Exemplar wollen wir Ihnen nicht vorenthalten - wenngleich dieser auch der erste Teil unseres Doublefeatures ist. Der Geruch von Benzin, verbranntem Öl und ein gut vernehmbares Pfeifen liegen in der Luft - yeah, back to the 70ies. Ein BMW 2002 turbo in Bestzustand steht auf unserem Hof und wartet darauf bewegt zu werden. Warten ist ja, frei nach Steve McQueen, die Zeit zwischen den Rennen, darum wollen wir das Warten mal beenden und losfahren. Der BMW 2002 turbo ist die Krone der bekannten 02 Baureihe (114 für die Modelle 1502 - 1802, E6 für die Touringmodelle, E10 für den 2002 und E20 für den 2002 turbo). Die 02 Baureihe wurde von 1966 bis 1977 gebaut, wobei allen Modellen nur Vierzylindermotoren (Motortyp M10) zur Verfügung standen. Der 2002 turbo wurde aus dem 2002tii (tourismo internazionale iniezione) abgeleitet. Dessen Motoren hatten im Vergleich zum 2002ti, statt der verbauten 40er Solex Doppelvergaser, eine mechanische Kugelfischer-Benzineinspritzung, welche auch im Motorsport zum Einsatz kam - dort natürlich dann mit einer Flachschieberanlage anstatt der sonst verwendeten Drosselklappe. Im Jahre 1973 war es dann soweit, BMW stellte den 2002 turbo der breiten Öffentlichkeit vor. War da nicht was? Ach ja, die Ölkrise, die immer weiter steigende Zahl an Verkehrstoten und die damit verbunden Einführung des Geschwindigkeitslimit von 100 km/h auf Landstraßen. Passt das denn dann überhaupt? Na klar passt das.
BMW tat dann etwas vollkommen anderes - anstelle ein kleines lahmes Sparschwein zu bauen, baute man lieber eine kleine Krawallbüchse mit 170 PS Leistung aus einem 2 Liter Motor mit Turboaufladung, die ihre Bestimmung auch ganz ungeniert nach außen trägt. Geschaffen hatte man das erste in Serie hergestellte deutsche Auto mit Abgasturbolader - und das noch vor dem Porsche 911 Turbo. Sparsam und Downsizing war damals ebenso ein Fremdwort, wie Understatement. Man wollte auch mal zeigen, dass man den längeren … , ähm, Atem hat und platzierte auf dem schon in BMW Farben beklebten Frontspoiler noch einen zusätzlichen "2002 turbo Schriftzug" in Spiegelschrift. Warum das? Na, das ist doch klar. Wenn man von hinten in flotter Gangart angefahren kommt, sollte es dem vorrausfahrenden Sparschweinfahrer signalisieren, dass er 1. das langsamere Auto hat und 2. daraus resultierend, Platz machen sollte - für den 2002 turbo eben. Die 15 - 20 Liter Brennstoffvernichtung passten da eben nicht so ganz ins damalige Weltbild, aber unser kleiner Bayer wie ein Indianer mit Kriegsbemalung und den dicken angenieteten Kotflügelverbreiterungen gibt einem dafür einiges wieder - nämlich Fahrspaß pur. Die damalige Presse titulierte das dann auch wirklich als Kriegsbemalung und vollkommen "Political Uncorrectness" - wir, also die moderne Presse, sagen - Top, so muss das sein! Immerhin kann der 2002 turbo von sich behaupten, dass er das einzige Fahrzeug war, was jemals Gesprächsthema im Bundestag war. Die SPD beschäftigte sich seinerzeit mit der Anfragen zu "Auswüchsen der Motorisierung und Förderung der Raserei". Etwas zu viel Publicity für BMW und so verschwindet der "2002 turbo Schriftzug" in der Serie wieder. Aber zu spät - was man einmal im Prospekt gesehen hat, brennt sich ein und will man ja auch genauso haben. Der Zubehörhandel macht es dann möglich - übrigens war der Aufkleber einer der meistbestellten Artikel im Jahr 1973.
Ein Verkaufsschlager ist der 2002 turbo leider trotzdem nicht gewesen, war er doch zu unvernünftig für die breite Masse. In dem etwas über einem Jahr Produktionszeit liefen nur 1672 Einheiten vom Band, bis im November 1974 endgültig Schluss war. Dort wurde der 2002 turbo zu einem Preis von 20.780 DM angeboten, was nach heutiger Euro-Kaufkraft etwa 29.390 € entsprechen würde. Man bekam dafür einen kleinen, quietschbunt beklebten Rennwagen für die Straße und hatte dabei die Auswahl zwischen den Farben Silber (Polaris-metallic) und Weiß (Chamonix). Dem 2.0 L großen BMW M10 Motor mit Kugelfischer-Benzineinspritzung wurde ein BLD Turbolader von KKK mit 0,55 Bar Ladedruck als Atemhilfe zur Seite gestellt. Heraus kamen 170 aufgeladene Pferdestärken die die nur 1.080 kg leichte Karosse in nur etwas über 7 Sekunden auf 100 km/h und 212 km/h Spitze beschleunigten. Lange Vollgasorgien mag der 2002 turbo aber nicht, denn die Gefahr der Überhitzung des Motors sowie der Abgasanlage drohten . Als Folge zeigten sich dann Wasser im Öl, was auf eine defekte Kopfdichtung zurückzuführen ist, oder feine Risse im Kopf oder im schlimmsten Fall noch ein Laderschaden, was dann irrsinnig teuer wurde. Irrsinnig ist auch die Drehzahl, denn bei der will der kleine 2002 turbo trotzdem gehalten werden, denn alles unter 4.000 U/min. fühlt sich dann eher wie 70 PS und nicht wie 170 PS. Hat sich die Turbonadel erstmal in den grünen Bereich vorgearbeitet, geht der Punk ab und die Hinterräder, auf den schönen Alpina 6,5 x 13" mit 205/60 VR13 Reifen, treiben unser kleines bayrisches Bleichgesicht, wie vom D-Zug getroffen mit Vehemenz nach vorne bis bei 212 km/h dann Schicht ist.
Leichtfüßig und direkt zirkelten die 02er BMWs ja vorher schon durch die Kurven. Bei dem Leistungsschub wollte man aber mehr Fahrbahnkontakt und legte nach. Zur Verbesserung des Fahrwerks wurden beim 2002 turbo zu den Querlenkern mit MacPherson Federbeinen vorne und Schräglenkern mit Schraubfedern hinten, noch Drehstab-Stabilisatoren verbaut. Eine 40% Differenzialsperre gab es ebenfalls mit dazu. Vorne kann der ambitionierte 2002 tubro Pilot auf zwei innenbelüftete Scheibenbremsen mit 4 Kolben Sattel zurückgreifen, während hinten eine Trommelbremse ausreichen muss. Das kecke Heck ziert ein kleiner Spoiler, nebst 2002 turbo Schriftzug und das verchromte Abgasrohr. Geschaltet wird das 4 Gang Getriebe im 2002 turbo äußerst präzise und leichtgängig. Im Innenraum versprüht Kunstleder, zwei gut konturierte Sportsitze, kein Luxus, dafür aber die Auswirkungen des bockharten Fahrwerks den Charme der 70er Jahre. Die F-4 Phantom Luftverteidigungsdiesel-Piloten müssen sich ähnlich gefühlt haben - mächtig angasen, viel Qualm, ordentlich auf dicke Hose machen und kein Komfort.
Der Besitzer unseres gefahrenen Modells ist ein neuer alter Bekannter - BMW und Alpina Liebhaber Hinrich Fechtel aus Borgholzhausen stellte uns beim letzten Mal kurz die beeindruckende Sammlung vor. Da war es klar, dass der 2002 turbo hier nicht fehlen durfte. Sein Vater, mit dem er sich seine Leidenschaft teilt, erwarb das Fahrzeug im Oktober 2010 mit einem Kilometerstand von 108.000 km in Brüssel. Der Verkäufer, Philippe R. Dubois, kaufte den Wagen 2008 von einem BWM Sammler aus Lyon. Dieser hatte den 2002 turbo 2001 von einem BMW Autohaus aus Lyon übernommen, wo das Fahrzeug die letzten 15 Jahre verblieb und nur selten gefahren wurde. Anhand des Serviceheftes kann man nachvollziehen, dass der 2002 turbo bis zum 10.08.2002 eine Laufleistung von 92.653 km erreicht hatte und vom ersten Besitzer bis zum 29.01.1985 gefahren wurde. Die Erstzulassung geht auf den 09.04.1974 nach Mayenne in Nordfrankreich zurück. Der kleine 2002 turbo hat also schon so einiges gesehen. Dies war auch BMW Liebhaber Philippe nicht unbemerkt geblieben und so beschloss er das Fahrzeug technisch sowie optisch komplett zu überholen. Da Hinrichs Vater Hermann damals auf einem 2002ti Rallye gefahren ist, fiel Hinrich der 2002 sofort auf, als er von Philippe seinen BMW M3 E30 Cecotto kaufte. Philippes Hobby ist das Kaufen und Aufarbeiten von Old- oder Youngtimerfahrzeugen. Nach einer kurzen Eigennutzungsphase widmet er sich einem neuen Fahrzeug und verkauft sein abgeschlossenes Projekt wieder. Beim 2002 turbo ging so einiges an Zeit und Material ins Blechkleid - neben den kompletten vorderen Kotflügeln, überholte er die komplette Bremsanlage, revidierte das Getriebe und lies den BMW bei einem Fachbetrieb komplett neu lackieren. Der Kühlergrill sowie die Scheinwerfer und diverse andere Bauteile wurden ebenfalls ausgetauscht. Der 2002 turbo steht jetzt so schön da - wow, einfach toll. Vielen Dank an Hinrich Fechtel, dass wir wieder eines seiner schönen Fahrzeuge vor Ort hatten.
Der 2002 war damals für viele der Einstieg in den Motorsport und setzte sich über Jahre auf der Rundstrecke, Rallye, Slalom oder bei Bergrennen durch. Auch heute noch ist der BMW 2002 auf den vorderen Plätzen zu finden. Erfolgreiche Fahrer sind hier Norbert Wimmer und Christian Auer im BMW 2002 tii 8V und Rüdiger Julius-Bernhart im BMW 2002 Gruppe 5.