BMW E92 M3 - Brachialer Donnerbolzen mit V8 Power

Nachdem wir in der vergangen Woche schon über den BMW E46 M3 berichtet haben, ist nun sein jüngerer Bruder, der BMW E92 M3 an der Reihe. Bereits optisch unterscheidet sich der E92 deutlich vom E46. Die Front kommt nicht mehr ganz so bullig daher wie die des Vorgängers, eher aerodynamisch durchgestylt optimiert und rundlicher. Aber harmlos sieht er deswegen auf keinen Fall aus. Der E92 M3 stammt aus der bereits fünften BMW 3er Generation, der E90 Baureihe, welche im Jahr 2005 mit der Limousine (E90), Touring (E91), Coupé (E92) und Cabrio (E93) eingeführt wurde. Zwei Jahre später folgte der bis dahin wohl stärkste M3, mit dem Modell E92 M3. Die Leistung hatte sich, zum Ur-Modell E30, mit 420 PS schließlich mehr als verdoppelt. Auch beim Hubraum von 3998 ccm³ und Gewicht (1655 kg) legte der E92 M3 kräftig zu. Dies ist den immer sicher werdenden Standards bei modernen Autos und dem progressiven Druck durch die anderen Premium Hersteller wie Audi mit dem RS4 und Mercedes Benz mit dem C63 AMG zu schulden. Alle drei genannten Aspiranten werden von fetten V8 Motoren befeuert und bringen dementsprechend viel Lebendgewicht auf die Waage.

Beim Design wagte man bei BMW keine Experimente und stellte ein blitzsauber und schön gezeichnetes Coupé auf die breiten 19" M Räder. Einige Designelemente des E46 M3 griff man mit der jetzt stärker ausgeprägten Powerdome, den dicken Radhäusern und den zusätzlichen Lufteinlässen auf. Auch auf die zweiflutige Auspuffanlage mit ihren vier Endrohren verzichtet man bei BMW nicht, was auch angesichts der mächtigen Leistung , sicherlich fehl am Platz gewesen wäre. Die Rückspiegel kommen dem eingefleischten BMW M Fan sicherlich vom BMW E36 M3 bekannt vor, dessen man sich beim Design  bedient hatte.

Die Limousinen-Variante erhielt 2008 mit anderen Modellen ein umfangreiches Facelift, während das zeotlos schöne Coupé davon unberührt blieb. Trotz des hohen Gewichtes versuchte BMW das Gewicht durch den Einsatz von kohlenstofffaserverstärktem Kunstsoff und Endlos-Glasfaserverstärktem Thermoplast zu reduzieren. Das Seriendach des Coupés kam in CFK-Bauweise daher und die Stoßstangenträger in GFK Bauweise, die Motorhaube wurde eigens in Aluminium gefertigt und verbaut. So konnte der E92 M3 gegenüber dem Vorgänger E46 um satte 100 kg auf 1655 kg abspecken. Der S65 V8 Motor, welcher in allen drei Bauformen des M3 (E90, E92, E93) verbaut wurde, entspricht konstruktiv gesehen, weites gehend dem BMW 5.0L V10 Sahnestück mit 90° Zylinderwinkel und den wesentlichen Grundabmessungen, eben nur mit zwei Zylindern weniger. Er ersetzt den letzten freisaugenden Sechszylinder aus dem E46 M3.

Beim S65B40 V8 arbeitet aber im Gegensatz vom V10 eine Niederdruck-Doppel-VANOS.  So erreicht der S65B40 V8 Motor eine atemberaubende Leistung von 420 PS bei 8.300 U/min. und  einem maximalen Drehmoment von 400 Nm. Das spezifisch hohe Drehmoment des S54B32 Motors aus dem E46 M3 wird durch die Auslegung als V8 Kurzhuber nicht mehr erreicht, da die Kolbengeschwindigkeiten bei Höchstdrehzahl mehr als nur exzessiv waren. Unseren Prestigesprint aus dem Stand auf 100 km/h erledigt der E92 M3 problemlos in 4,6 sek. Die Vortriebsorgie endet erst - elektronisch abgeregelt - bei 250 km/h. Mit dem optionalen M3 Drivers Package waren sogar 280 km/h Spitzengeschwindigkeit drin. Bis dahin geht auch wirklich der Punk ab, denn durch das von der Getrag entwickelte Doppelkupplungsgetriebe "M-DKG" steht dem Fahrer jederzeit die richtige Welle zur Verfügung. Die Gangwechsel werden in niedrigem Millisekunden Bereich ausgeführt, egal bei welcher Drehzahl und Lebenslage. Anpassbar ist das Ganze dann auch noch, dann hustet der V8 einen genüsslichen Zwischengasstoß beim runterschalten in die nächst kleinere Stufe des 7-Gang M-DKG - und glaubt mir, das kann süchtig machen. Das ganze Auto hat sowieso einen sehr hohen Suchtfaktor - der V8 Hochdrehzahlmotor, das spitzenmäßige Getriebe, gepaart mit super Fahreigenschaften und absoluter Alltagstauglichkeit machen den BMW E92 M3 zu einem wirklichen Allroundsportler, der aber auch als rassiger Rennwagen fugieren kann - je nach Belieben erfüllt er beide Extreme zu 100%. 

Allein schon beim ersten Start des S65B40 V8 wird einem klar, dass es hier nicht das typische Dreiermodell zum Fahren gibt, sondern den M3. Mit einem heiseren Aufschreien springt das Aggregat an und hämmert wie Steve Lombardo von Slayer, mit einem metallischen Unterton, leicht unrund los. Man ertappt sich unlängst dabei, wie die Mundwinkel sich immer weiter den Ohren nähern, wenn der rechte Fuß eine Verbindung mit dem Gaspedal eingeht und einen gedanklich zumindest in einen DTM Wagen versetzt. Technisch hat BMW hier neben der Niederdruck-Doppel-VANOS das volle technische Feuerwerk gezündet. Technische Leckereien wie acht elektronisch geregelte Einzeldrosselklappen, eine speziell geschmiedete Kurbelwelle und superleichten knapp 500g schweren Aluminium-Kolben - das lässt einen noch tiefer in die Rennsportwelt eintauchen und in Erinnerungen an die glorreichen Zeiten der M3s im Motorsport schwelgen, über die wir alle schon in unserer "Cars in Detail" Reihe berichtet haben. Der E92 M3 ist mittlerweile auf Betriebstemperatur und gibt uns die volle Drehzahl bis 8.400 U/min. frei. Die Gänge fliegen nur so durch das M-DKG und Drehzahlen von 6.000, 7.000, 8.000 Touren sind schnell erreicht, hier mahnen uns sechs gelbe und zwei rot blinkende LEDs zum Wechsel in die nächste Schaltstufe, die dann egal was da komme, auch prompt eingelegt wird. Einfach geil, wenn man bedenkt, dass der rote Bereich erst bei 8.250 U/min beginnt. Sowas muss man doch einfach mögen oder? Also wir haben ihn fürchterlich gern.

Ob der Schutzmann den BMW E92 M3 auch gerne hat weiß ich nicht, denn das Auto baut derart schnell Geschwindigkeit auf, dass wenn der Fahrer keinen gefestigten Charakter hat, Post von der staatlichen Rennleitung kommt - und wer will die schon haben. Hoffen wir mal, dass wir nicht zum Opfer der staatlichen Fotopresse gehörten. Schlecht aufgelöste S/W Fotos zu überhöhten Preisen brauch wohl keiner. Auch Hinrich Fechtel, der Besitzer unseres Exemplars, musste soweit uns bekannt ist, seine Beinmuskulatur nicht über Gebühr auf dem Fahrrad trainieren. Er erwarb das Auto im Jahre 2008 und fuhr ihn im täglichen Einsatz auf der Straße, mit viel Freude am Fahren natürlich. Die hat man beim E92 M3 definitiv. Neben der Launch Control, was eine super coole Nummer ist, neigt der E92 M3 dazu, dem Fahrer viel Freiheiten mit dem Heck zu überlassen. Die bis 100 Prozent sperrbare M-Differenzialsperre erlaubt es dem Fahrer, wie wohl bei keinem anderen Sportwagen, solch nette Drifteinlagen zu produzieren. Sprich - super agil und sehr gut beherrschbar im Grenzbereich, da wundert es nicht, warum über 40.000 Einheiten von dem bis zu 100.000 € teuren Sportwagen an den Mann bzw. die Frau gebracht wurden. Als Krone der Baureihe wollte BMW mit dem E92 M3 GTS dem ganzen noch die Krone aufsetzen, verfehlte dies aber unserer Meinung nach. War der Sprung bzw. Unterschied beim E46 M3 zum E46 M3 CSL deutlich größer, was die Veränderungen an Agilität, etc. angeht.

Neben dem auf 4,4 Liter angewachsenen Hubraum, den daraus resultierenden 30 Mehr-PS und den über 100 kg weniger Gewicht, hätte hier mehr gehen müssen, aber wir wollen mal nicht meckern. Cool ist er trotzdem, so gab es anstelle der Rücksitzbank einen verschraubten Überrollbügel, der sich zum vollwertigen Käfig ausbauen lies. Ebenso wurde der Einsatz von Schroth Sechspunktgurten mit entsprechenden Aufnahmepunkten vorbereitet. Eine Befestigung für einen Feuerlöscher gab es obendrein mit dazu. Alle M3 GTS wurden von BMW nur auf Kundenbestellung individuell gefertigt und brauchten eine Einzelabnahme für  den Betrieb im Deutschen Straßenverkehr. Der Preis stieg hierbei ebenfalls um fast satte 40.000 € extra an. Dafür erhält man dann aber ein wirklich kompromissloses Rennfahrzeug mit Straßenzulassung, eine der Tugenden von BMW. Für den Einsatz in der ALMS (American LeMans Series) entwickelte BMW auf Basis des BMW E92 M3 den M3 GT2 - 1150 kg schwer, somit 430 kg leichter wie die Serie. Dafür ist das Rennfahrzeug wesentlich breiter und verfügt über 485 PS Leistung, was den gewonnen Erkenntnissen aus der Formel 1, zu zuschreiben war. Auch bei den 24h Stunden vom Nürburgring war das Auto erfolgreich und gewann mit dem Schnitzer Team im Jahre 2010 den Eifel-Klassiker. Bei den 24h von Spa 2010 war das Team vom Pech verfolgt und musste den sicher geglaubten Sieg eine knappe Stunde vor Rennende durch eine Aufhängungsschaden an Porsche abgeben - so holte man hier nur den zweiten und dritten Platz. Der Basismotor S65B40 findet sich heute auch in optimierter Version im BMW Z4 GT3 wieder.

Axel Weichert

CEO / Chefredakteur

Der Gründer und das Gesicht hinter 100octane.de. Motorsportbegeistert und Petrolhead der ersten Stunde mit der Begeistung die Emotionen auf und neben der Rennstrecke im Bild festzuhalten.

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